Eine “einfache” Reise nach Junbesi – Teil 2

Beautiful landscape

Beautiful landscape


Der 2. Tag

Der nächste Morgen fängt damit an, dass ich bitte 2000 Rupien für das Privileg zahlen soll, nach Junbesi zu wandern, und wahrscheinlich für meinen Träger gleich noch mal. Sie fragen mich am falschen Morgen: Ich bin nicht hier zum „wandern“, ich bin hier, weil es keinen anderen Weg nach Junbesi gibt – ich wandere nicht freiwillig, ich hasse wandern, ich bin hier, um als Freiwillige zu helfen, Nepal’s Kindern ein wenig Englisch einzubleuen, ich gebe dafür schon genug Geld und Mühen, und ich werde nicht zahlen. Basta. Nach etwas hin und her sehen sie es ein – ich muss nicht zahlen.

Ich versuche ein letztes Mal, meinen Träger und sonstige Personen davon zu überzeugen, dass wir bitte irgendwie ein Transportmittel in die nächste Stadt finden – aussichtslos. Und so beginne ich den Aufstieg – und sind die Berge in Nepal steil! Fluchend , schwitzend und keuchend stapfe ich mich Schritt für Schritt hoch, immer meinem Träger hinterher, bei jedem Schritt wissend, dass ich die Strecke auch im Bus hätte zurücklegen können, Frust im Herzen. Wir kreuzen eine Art Strasse/Sandpiste – ich versuche wieder, meinen Träger zu überzeugen, dass wir doch einfach auf ein Auto warten können, aber es soll hier keine geben. Wir steigen weiter – es ist heiß, der „Hügel“ scheint kein Ende zu nehmen. Da hören wir unter uns am Berg lautes Hupen – ich drehe mich um, ein Bus, recht weit unten. Ich rufe, dass ich den nehmen will – mein Träger schaut mich gross an: „Du möchtest einen Bus nehmen?“ Ich starre ihn an – warum ich ihn in diesem Moment nicht den Berg herunterstosse, ist mir nicht klar, vielleicht weil er mein Gepäck auf dem Rücken trägt. Und dann mache ich in wenigen Sätzen klar, dass ja, ich jetzt schon den zweiten Tag dabei bin ihn zu überzeugen, den Bus zu nehmen. Es liegt viel Gefühl in meinen Sätzen – die Botschaft kommt endlich rüber, aber wir stehen jetzt in der Mitte eines Bergweges, nicht in der Nähe der Strasse, wir wissen nicht, wo der Bus hinfährt, es scheint aussichtslos, und so steigen wir weiter hoch, ich mittlerweile vor Wut schnaubend. Wir kreuzen gerade wieder eine Art Strasse/Sandpiste, da biegt der Bus um die Ecke. Ich schreie „halt ihn an!“ und halte den Daumen raus, aber der Fahrer schüttelt die Hand – das nepalesische Zeichen für „Nein“.

Der Bus fährt an uns vorbei, meine Augen treffen die eines westlich aussehenden Menschens, und die Verzweiflung muss mir im Gesicht gestanden haben – fünfzig Meter weiter kommt der Bus zum Stehen, die Türen öffnen sich, eine freundliche Stimme sagt: „Wollt ihr mitgenommen werden?“ Jaaaaaaa. Es stellt sich heraus, dass dies eine britische Bergsteigergruppe ist, mit Ziel Mount Mira und dann Everest Basecamp, mit ihren Trägern und Führern, und sie den Bus angeheuert haben, um sie zur Endstation der Strasse zu bringen, und die Strasse noch nicht mal die offizielle Strasse ist, sondern eine Abkürzung – was für ein Zufall und ein Glück, dass sie gerade hier vorbeikommen, als wir dort stehen. Barry, Gwyn, Harry, Jay und Mike – selten habe ich mich so gefreut, Leute kennenzulernen. Ich sitze; die Sandpiste auf hoher Höhe ist für Busse denkbar ungeeignet, aber ich starre in die Tiefe und bin einfach nur froh zu sitzen – obwohl Gehen sehr viel sicherer gewesen wäre.

The British Trekking Group

The British Trekking Group

Der Bus schraubt sich immer weiter in die Höhe – ich kann nicht glauben, wie hoch wir noch hätten steigen müssen. Irgendwann, wir sind über den Pass und recht weit den Berg hinunter, wird Gehen tatsächlich schneller als das Rutschen durch den Sand, und wir steigen alle aus, ich verabschiede mich von der Gruppe, und beginne mit Kharma den Abstieg nach Bhandar. Eigentlich hatten wir hier übernachten wollen, aber es ist – dank des Busses – noch relativ früh, und so beschliessen wir, zur nächsten Ansiedlung weiterzugehen – „sehr einfach, sehr gerade, kein Problem, 2.5 Stunden“. Ok, einfach kann ich.

Beim Lunch treffen wir die Reisegruppe wieder, und es ist hier, dass ich höre, dass man, um nach Junbesi zu kommen, einen Berg übersteigen muss – 1800 Höhenmeter Anstieg, auf 3600 Meter, danach wieder 1300 Meter nach Junbesi herunter, selbst die lokalen Menschen geben zu, dass es recht steil ist. Mir klappt die Kinnlade nach unten: 1800 Höhenmeter Anstieg?! Auf diesen steilen Bergen?!!1800 Höhenmeter auf 3600 Meter hoch – das ist hoeher als Deutschland’s höchster Berg, die Zugspitze: „Oh, der Weg zur Schule ist einfach, nur kurz die Zugspitze hoch und auf der anderen Seite wieder runter, gar nicht schwer“. Hallo? Ich kann nicht glauben, was ich höre, und bin nicht amüsiert. DSC01898

Erst mal also den „einfachen“ Weg zum nächsten Dorf. In der sengenden Hitze geht es rauf und steil wieder runter, ich hechele, ich schwitze, nach einer Weile fängt mir an, alles weh zu tun, innerlich bin ich am Kochen. Nach 4 Stunden wanke ich in das Dorf, ich habe mir vom Rucksack einen Muskel verzerrt und kann Nacken und eine Schulter kaum bewegen, ich habe Kopfschmerzen und mir ist schlecht, meine Beine sind zittrig und schwer, Blasen an den Füssen. Und die ganze Zeit kann ich nur eines denken: Wenn das einfach war – wie soll ich denn jemals den Anstieg überleben?

Not amused

Not amused

Ich finde die britische Reisegruppe wieder, und setze mich neben den Reiseführer. Er fragt mich freundlich, wies mir geht – zu meiner unendlichen Verlegenheit breche ich in Tränen aus und flüchte in das nächste Zimmer. Ich bin ein Wrack, und in mir ist nur ein Gedanke: Ich schaffe den Anstieg nicht – ich bin nicht trainiert, ich bin nicht fit, ich habe nichts von dem erwartet, ich kann nicht mehr. Ausserdem liege ich wieder in einem Bretterverschlag (aber wenigstens sauber), das übliche Plumpsklo und Dusche im Hof. Mir wird klar, dass dies halt hier so ist, und auch meine Vorstellung von hübschen Hütten in Junbesi nicht wahrwerden wird. Ich fühle mich wie eine verwöhnte Göre im Bootcamp. Ich beschliesse, das Ganze abzubrechen, nach Kathmandu zurückzukehren, und der Schule zu schreiben: „Tut mir sehr leid, aber ich konnte es nicht tun“.

Die Briten überzeugen mich schliesslich, es doch zu versuchen: „Lass Dich nicht unterkriegen, Schritt für Schritt, ganz langsam, Du schaffst das“. Sie erzählen mir, dass auf halber Höhe ein Gästehaus ist, in Sete, ich soll es wenigstens bis dort versuchen, und am übernächsten Tag die zweite Hälfte bewältigen. In der Nacht siegt schliesslich die preussische Tugend über das körperliche Elend, und ich entscheide mich, es zu versuchen.

10 responses to “Eine “einfache” Reise nach Junbesi – Teil 2

  1. Und da haben Sie sich über die Schufaschreiben auf Ihrem Schreibtisch geärgert. Hihihi Peanuts gegen dass, was Sie hier machen. 🙂 Hut ab!!!! Ich wäre auf halbem Weg gestorben……

  2. Ich bin sooooo stolz auf dich! So eine Leistung………muss aber jetzt schnell Teil 3 lesen *klopf dir anerkennend auf die Schulter*

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