Warnung: Dieser Beitrag ist über Leichenverbrennung, mit einigen Bildern.

Pashupatinath – Shiva Tempel und Feuerbestattungsort
Ich reise seit Monaten durch Länder, in denen Religion eine ganz andere Bedeutung hat im täglichen Leben, als ich gewohnt bin – man ist zu fast jedem Augenblick umgeben davon, es ist fühlbar, sichtbar, greifbar. Automatisch denke ich daher sehr viel mehr über Religion, ihre verschiedenen Ausprägungen, und mein Verhältnis zu ihr nach, als ich es früher jemals getan habe. Ich hätte auch nie gedacht, dass ich in meinem Leben etwas über Religion schreiben würde, aber Reisen verändert eben.
Ich habe mein eigenes Verhältnis zur Religion, finde, dass am Ende alle grossen Religionen dasselbe sagen und wollen (wenn man nur weit genug zurückgeht), wenn dies auch nach vielen Jahrhunderten der Interpretation und der Ausnutzung nicht mehr unbedingt erkennbar ist. Ich war vor einigen Tagen eingeladen zu einem privaten Vortrag eines tibetischen (buddhistischen) Mönches. Am Ende sagte er einen Satz, den ich sehr wahr finde: „Es kommt im Leben nicht darauf an, ob man Buddhist ist, oder Christ, oder Hindu, oder Muslim, oder gar nicht erst an Gott glaubt, worauf es ankommt, ist die Ethik.“ Ich war erstaunt, diesen Satz aus dem Mund eines (ranghohen) Mönches zu hören, aber auch sehr froh darüber, dass hier ohne Dogma gesprochen wurde, und finde, dass dieser Satz meinen persönlichen Glauben sehr gut zusammenfasst.
Es gibt in jeder Religion heilige Orte, die zu besuchen das Ziel eines jeden Anhängers dieser Religion ist – Mekka, Jerusalem, Rom, Varanasi, um einige zu nennen. Für Hindus ist Pashupatinath – ca. 6km vom Stadtzentrum Kathmandus entfernt – ein solcher Ort, das heilige Hindu-Zentrum Nepals, denn hier steht der Tempel Shivas, des obersten Gottes, und hier in Feuer bestattet zu werden gilt als besonders erstrebenswert.

Pashupatinath – Shiva Tempel, rechts das Hospiz, unten der Stein für die Reinigung, links davon die Plattform für Könige
Im Hinduismus finden fast alle Menschen ein Feuergrab; die Ausnahme sind Sadhus – heilige Männer – und Kinder unter 5 Jahren, da beide Gruppen als spirituell rein angesehen werden. Witwenverbrennung ist seit 1829 verboten, es gibt aber auch heute noch Fälle davon.

Sadhus – Heilige Männer
Die Bestattung findet innerhalb weniger Stunden nach dem Tod statt. Zuerst wird der Körper, in weisse Kleidung gewandet und von einem orangen Tuch bedeckt, zum heiligen Fluss Bagmati getragen, wo die Füsse (unreinster Teil des Körpers) und das Gesicht gewaschen werden. Die Familie versammelt sich, um Abschied zu nehmen, dann wird der Leichnam zum Scheiterhaufen getragen. Dabei gibt es nach Wichtigkeit getrennte Plattformen; auf der grössten wurde der König verbrannt (seit 2008 ist Nepal eine Republik, daher ist diese Plattform nicht mehr in Gebrauch); daneben ist die Plattform für andere Mitglieder des Königshauses, Politiker, VIPs und Reiche; dann, von einer Brücke getrennt, kommen die Plattformen für den Rest.

Plattformen “für den Rest”
Die Söhne oder andere enge Familienangehörige tragen die Bahre fünf Mal (als Sinnbild für die 5 Elemente Wasser, Erde, Feuer, Luft und Äther) um den Scheiterhaufen herum. Die Verbrennung wird vom Mund her begonnen – da durch diesen der erste und der letzte Atem geht, gilt er als Besonders. Nun wird die Leiche von Stroh bedeckt; nach ca. 4 Stunden ist die Verbrennung vollendet, und die Asche wird dem heiligen Fluss übergeben (aus diesem Grund sind im Fluss vor den Plattformen meistens Goldsucher zu finden – Goldzähne…).

Beginn der Verbrennung
Die engsten Familienangehörigen verbringen dann 13 Tage in einem dunklen Raum; Männer rasieren sich die Köpfe; für 1 Jahr tragen die Trauernden Weiss, dürfen bestimmte Lebensmittel nicht essen, und während dieser Zeit keine Tempel betreten. Ein Tempel soll erhebend sein, und dieses Gefühl wird während der Trauerzeit als unangemessen angesehen.
Neben der Stelle der Reinigung ist ein Hospiz; wenn die Stunde des Todes nahe ist, werden die Menschen zum Sterben auf den Stein der Reinigung gelegt. Hier zu sterben und verbrannt zu werden, ist das Höchste für Hindus – es garantiert praktisch den Aufstieg zur Erleuchtung, das Verlassen des ewigen Kreislaufs von Leben und Tod, das Ende der Reinkarnation.
Sich im heiligen Fluss Bagmati zu reinigen gilt neben der Verbrennung als zweithöchste Ehre – allerdings sollte man das Wort “Reinigung” nicht im hygienischen Sinn verstehen…

Pashupatinath, mit heiligem Fluss Bagmati
Fotografieren wird übrigens geduldet, sollte aber mit Diskretion geschehen. Ich liess meine grosse Kamera zu Hause und nahm nur einige Bilder aus weiterer Entfernung mit einer kleinen Kompaktkamera auf, fühlte mich aber auch dabei nicht wirklich wohl. Gleichwohl fand ich die ganze Erfahrung faszinierend – ich denke, weil hier mit dem Tod und den Toten so offen umgegangen wird, während ich geschlossene Särge und Kremation hinter einer Wand gewohnt bin.