„Jetzt noch schnell nach Kuba, bevor es sich ändert und nicht mehr das echte Kuba ist“ – schwingt hier ein wenig Zynismus mit, in dem unausgesprochenen Wunsch, dass Kuba sich nie ändern möge, wenn man diesen Satz aus Sicht der Einwohner betrachtet? Was ist eigentlich das „echte“ Kuba? Und – wird man es als Tourist jemals erblicken? Sind es die zahllosen Menschen, die einem im gefühlten 30-Sekundentakt Taxis, Zigarren, Rum, ewige Liebe und Bilder von Che anbieten? Sind es die Zigarren-paffenden Kubaner, die so selten sind, dass sie fürs Photo Geld verlangen können? Die Kooperativen, die dem Bauern 90% des hart Erarbeiteten abnehmen und dafür sorgen, dass dieser trotz mittlerweile bestehender Reisefreiheit vielleicht nie wirklich ein anderes Land sehen wird, ausser er schwimmt nach Florida?
Kuba, das ist: Wunderschöne alte Autos der 50-er Jahre, Kolonialbauten mit „shabby chic“ Charme (neben den russischen Bauten ohne jeden Charme), der Rhythmus von Salsa und Rumba, der Geschmack von Cuba Libre, Mojito und Daiquirí.
Realer Sozialismus, der sich überall durch Durchhalteparolen auf riesigen Schildern und lange Schlangen vor den Läden auszeichnet.

Beschützt durch Fidel, Che und Camilo. Und Woody and Buzz.
Vielleicht weiss man, dass Kuba ein hohes Bildungsniveau und hervorragendes Gesundheitssystem aufweist. Und natürlich denkt man bei Kuba an Ernesto „Che“ Guevara – der Nationalheld, dessen Bild einem von Häuserwänden, Bücherdeckeln, Kaffeetassen, Kühlschrankmagneten, T-Shirts, und wirklich absolut allem anschaut, was man sich denken kann.
Eine kurze Frage „was wäre wenn…“ – was wäre, wenn Alberto Korda nicht an einem Tag im März 1960 sein Photo bei einem ganze 15 Sekunden dauernden Auftritts von Che gemacht oder Che an diesem Tag eine schlecht sitzende Frisur gehabt hätte – wäre er heute DER Nationalheld, bekannt auf der ganzen Welt, geliebt, ohne wirklich GE-kannt zu sein, eine Ikone? Ich persönlich glaube: Nein – die Macht der Bilder. Und vielleicht ist der Kult auch der Ausdruck von ein wenig schlechten Gewissens, dass Che sich aus welchem Grund auch immer getrieben fühlte, Kuba den Rücken zu kehren und einen wenig heldenhaften Tod in Bolivien fand – ich weiss es nicht. Jedenfalls hat dies ihm und seinen mit ihm gefallenen Mitstreitern ein grosses Mausoleum in Santa Clara eingebracht. Natürlich wird an ihn erinnert mit DEM Bild. Und seiner Zahnbürste, seiner Kamera, und seinem benutzten Toilettenpapier – nun, vielleicht nicht mit Letzterem, aber so ziemlich allem anderen.
Das „echte“ Kuba existiert eigentlich schon nicht mehr, seit Raul Castro die Zügel von seinem Bruder Fidel übernommen hat.
Es gibt zwar noch die lokalen Büros der Revolution (die insbesondere das Ideal der Nachbarschaftsbespitzelung aufrecht erhalten), aber Kubaner können heute – theoretisch – die ganze Welt bereisen, sie können Häuser, Wohnungen, Geschäfte und Autos ihr Eigen nennen, Facebook hat Einzug erhalten, es gibt in einigen Hotels und sogar auf einem ganzen Platz in Trinidad Wifi gegen Geld, und die Jungen sprechen ganz offen auf der Strasse von Neuerungen und politischer Zukunft. Und mittlerweile reden sogar Obama und Castro miteinander, und die erste Fähre zwischen den USA und Kuba wird wohl bald den Betrieb aufnehmen.

Die Friedenstauben fliegen wieder
Überhaupt – Kuba muss das Land mit den meisten US-Amerikanern ausserhalb der USA sein – ich habe in meinen ganzen bisher 16 Monaten Reisen eine Handvoll Amerikaner getroffen; hier sind sie überall, in Horden. Embargo? Was für ein Embargo? Und die Ausländerwährung CUC lehnt sich jetzt schon an den Dollar an – ist es vermessen zu glauben, dass eines Tages ein halboffizieller 51. Stern auf dem Sternengeschmückten Banner erscheinen wird, und Kuba gleich ganz den US-Dollar einführt?
Man muss kein Prophet sein um vorherzusagen, dass bald die Grenze zwischen Kuba und den USA weit offen stehen wird. Und damit werden zwei Ströme in Gang gesetzt werden – derjenigen, die Möglichkeiten zur schnellen Gehaltsaufbesserung im realen Kapitalismus sehen, von Kuba in die USA, und der Strom von Millionen von Amerikanern in die Gegenrichtung, um Kuba zu ihrem persönlichen Urlaubs-Ressort zu machen. Daher – und ich meine das nicht persönlich, meine lieben amerikanischen Freunde – kann ich nur jedem raten: Ja, geht jetzt nach Kuba, bevor das Land in Coca Cola, McDonald, Starbucks et al. versinkt, und einem laute Schreie von „oh, this is a frigging hot pork steak“ einem wirklich jeden romantischen Sonnenuntergang vermiesen (ich spreche hier aus Erfahrung). Und was wird noch kommen? Viele alte Autos werden bleiben, denn sie bringen Touristengeld; die alten Gebäude werden auch bleiben – alt und heruntergekommen in den Gegenden, in die keine Touristen kommen, und alt und hübsch hergerichtet in allen anderen; Wifi und Smartphones werden allgegenwärtig werden; die Anbieter von Taxis, Zigarren, ewiger Liebe etc. können eigentlich kaum mehr werden, aber sie werden auch nicht weggehen.
Und ich denke, das, was für mich das „echte“ Kuba ausgemacht hat in meinen 4 Wochen hier, wird auch bleiben: Die Freundlichkeit der Kubaner, die man bei der Übernachtung in ihren Häusern, den Casas Particulares, kennenlernt; die Geräuschkulisse aus kläffenden Hunden, schrillen weiblichen Stimmen, den Rufen der Strassenverkäufer, dem Klickern von Dominosteinen, und dem Tuckern von alten Motoren; der Rhythmus von Salsa, Rumba und Cha Cha Cha, der wundervolle Schwung der Hüften, der „Duft“ der Zigarren, und der originale Gestank echten verbleiten Benzins, wenn die schönen Oldtimer an einem vorbeiziehen.
Für die Kubaner werden sich hoffentlich die Türen zur Welt weiter öffnen, mit echten Möglichkeiten zur Verbesserung und Selbstverwirklichung, unter Bewahrung zumindest eines Teiles ihrer eigenen Kultur, und weiterhin mit dem Gefühl einer Gemeinschaft, in der man sich gegenseitig hilft und füreinander da ist. Und mit Lebensfreude.
Zum Schluss noch ein paar Tipps: Um das echte Kuba kennenzulernen, sollte man um Hotels einen grossen Bogen machen und in Casas Particulares übernachten – Homestay auf Kubanisch, man übernachtet bei den Kubanern zu Hause, oft in original Kolonialhäusern, und muss sich unbedingt auch von ihnen beköstigen lassen – die Fülle und Qualität des Essens ist beindruckend. Ich persönlich fand das Alte Havanna sehr anstrengend, künstlich und ehrlich nervend, viel besser sind Baracoa, Trinidad, Vinales, Camaguey und Cienfuegos (echte Kubaner nennen die ersten drei Städte das „echte Kuba“). Und der Strand von Varadero, obwohl der Ort jetzt schon ein komplettes Touristenressort ist. Kuba gilt als sicherstes Land für Touristen, und so fühlt es sich auch an. Das Reisen im Land ist einfach – moderne Überlandbusse bringen einen überall hin, oder man mietet ein Auto, der Autoverkehr ist im Vergleich zu anderen Ländern sehr zivilisiert. Aber überfahrt keine Kuh, denn diese gehören dem Staat, und eine zu töten heisst 25 Jahre Gefängnis.
Kuba ist teuer, in Havanna sogar sehr teuer, daher kann man sich den Gedanken an einen billigen Urlaub gleich abschminken. Und Zigarren sind auch hier sehr teuer, und werden wirklich nicht mehr auf den Schenkeln junger Mädchen gerollt, sorry. Die Qualität von Mojitos etc. schwankt sehr, vier wichtige Wörter im Touristenspanisch sollten sein „mas ron por favor“ (mehr Rum bitte). Salsaunterricht gibt es überall, macht aber nicht unbedingt Spass, wenn man als steife Europäerin versucht, den Schwung kubanischer Hüften nachzumachen. Mojito etc. helfen in diesem Fall.
Ganz zum Schluss noch mein persönliches „echtes Kuba“ Bild, aufgenommen vom Balkon meines Casas in Havanna:Links ein Dominospieler, in der Mitte wird ein kleines Mädchen entlaust, und rechts schaut sich ein junger Kubaner nach dem Essen das Leben auf der Strasse an: Viva Cuba!
Amazing photography! I love them! (As per usual) And you are still exploring/ living the dream I see; Good on ya.
Happy travels.
Best, Caroline
Thanks Caroline 🙂 Another 7 weeks, and home beckons…
Huhu Gudrun!
Oh frau, ich liebe deine Bilder 🙂 Du hast das perfekte Auge! Was wolltest du eigentlich mit deinem Fotokurs damals bezwecken?
In deinem Beitrag vermisse ich aber eindeutig die Berichte über die Anmachversuche der kubanischen Männer! Wo sind sie nur, Sugarmama 😉 ?
Liebe Grüße aus dem fernen Deutschland 🙂
Hola! Nun, “Schwüre ewiger Liebe”? “Havana ist irritierend”? Manchmal stehen die Sachen zwischen den Zeilen… Danke Dir 🙂 Bis bald, im fernen Deutschland
Wirklich tolle Bilder und spannende Eindrücke! Und ich bin mir sicher, dass man als Blonde Frau in Kuba definitiv auffällt 😉
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